Sascha Murbacher
Post Carnivore

Philosophie


Nahrung neu gedacht - out of the box

Ich bin davon überzeugt, dass eine bewusste Reduktion von Fleisch und tierischen Produkten in unserer Nahrung nicht die Lösung, aber ein gutes Instrument sein kann.

Was heißt das? Unser Nahrungsangebot besteht aus einer breiten Pallette vorgefertigter/verarbeiteter Lebensmittel. Ob das gut oder schlecht ist, will ich nicht beurteilen. Ich denke, dass die Wahrheit auch hier irgendwo dazwischen liegt, denn bei vielem werden wir  gewisse Verarbeitungsstufen einfach nicht vermeiden können. Vieles ist auch schon nicht mehr wegzudenken. Ohnehin wird in diesem Zusammenhang wohl einiges sehr viel heißer gekocht als gegessen.

Im Laufe meiner Jahre als Koch, in denen ich mich mit der Entwicklung von Ersatzprodukten befasst habe, ist mir ein gewisses Prinzip aufgefallen, gerade was verarbeitetes Fleisch angeht:

je höher die Verarbeitung, desto niedriger die Notwendigkeit der Verwendung.

Überall da, wo Fleisch höher verarbeitet ist, wird  es mehr und mehr auf seine Funktionalität beschränkt und somit immer weiter zum technologischen "Basis"- oder "Hilfsstoff", der gewisse technologische, gustatorische und ernährungsphysiologische Grundeigenschaften erfüllt. 

Man könnte auch sagen, dass jede Verarbeitungsstufe, die nach dem Zerlegen des Tieres über das erste Portionieren  hinausgeht, bereits die Sinnfrage bezüglich der Verwendung von Fleisch legitimiert. Der Zerstörungsgrad der wahrnehmbaren Fleischstruktur ist entscheidend für die Authentizität des Imitats.

Beispiele für diesen Zerstörungsgrad (aufsteigend):

- Scheibe (Steak)

- Würfel/Schnetzel (Gulasch/Geschnetzeltes)

 -Hackfleisch

 - Brät (Wurstwaren/Aufschnitt)

Natürlich gibt es hier noch Zwischen- und andere Stufen der Verarbeitung wie das "Steaken" oder Plattieren bis hin zu Themen wie Separatorenfleisch, aber das Prinzip ist jetzt klar.

Denken wir z.B. mal an Brät für Fleischwurst oder Leberkäse - hier ist Fleisch eigentlich nur noch ein Träger von Makronährstoffen (Eiweiß und Fett), der als Medium für Gewürze und Zusatzstoffe dient und im Herstellungsprozess (z.B. Hitzeeinwirkung) entsprechend reagiert. In diesem Beispiel wird klar, dass man dafür kein Fleisch benötigt, denn hier ist die natürliche Struktur komplett zerstört und nicht mehr wahrnehmbar. Dennoch haben diese Produkte ihren typischen Geschmack, der auch auf dem arttypischen Fleischaroma der jeweiligen Tierart basiert. Und hier die gute Nachricht: all diese artspezifischen Fleischaromen kann man heute in erstaunlicher Authentizität völlig tierfrei herstellen. Wie gesagt, ob man das braucht, muss jeder selbst für sich entscheiden. Dennoch bringt das den großen Vorteil mit sich, dass ein derart durchdacht gefertigte Analoga mit dem kontrovers diskutierten "Verzicht" praktisch nichts mehr zu tun hat, da wir das eine nur gegen das andere Produkt tauschen.

Fazit

Ein gutes Stück Fleisch, das verantwortungsvoll produziert wurde, wird immer ein hervorragendes Produkt bleiben. Den wahren Steakgenuss wird kein Imitat der Welt je verdrängen können, das braucht es auch nicht.

Man kann aber zumindest darüber diskutieren, ob ein hoch verarbeitetes Produkt wie z.B. Wurst/Aufschnitt, aber auch die Bolognese im Glas überhaupt Fleisch braucht, denn die hier benötigte Funktionalität bringen auch pflanzliche Stoffe (oder Pilze und Insekten) mit, was die Industrie ja auch schon bemerkt hat (und hier leider auch wieder mit viel zu langen Zutatenlisten aufwartet).

Überträgt man dieses Prinzip auf sämtliche bekannte Nahrungsmittel, in denen Fleisch verarbeitet ist und denkt es vom Schnitzel, über Hackfleisch bis zum Seperatorenfleisch zuende, dann wird deutlich, wie viel Fleisch man weniger produzieren könnte und das mit allen bekannten Vorteilen für Mensch und Natur.

Damit verbundene Nebeneffekte könnten hier ein Ende der Notwendigkeit von Massentierhaltung und eine damit einhergehende Qualitätssteigerung von Fleisch und anderen tierischen Produkten sein.  Sicher könnte das auch zu einer gesünderen Gesellschaft durch mehr pflanzliche Kost und weniger Tierfleisch beitragen, oder zu einer besseren Ausbeute von Proteinpflanzen (weil sie direkt für den Menschen genutzt werden) und landwirtschaftlicher Nutzfläche.

Wir dürfen hier nur nicht vergessen, dass wir notwendigerweise immer auch Tiere halten werden und wenn das in artgerechter Weise geschieht,  ist das auch nicht verwerflich. Das ist unter anderem sinnvoll, da nichtverwertbare Pflanzenteile so zu verwertbarem Fleisch umgewandelt werden können. Zudem liefert der entstehende Mist Substrat für Biogasanlagen, was in der Folge wiederum sehr guten Dünger hervorbringt.

Natürlich ist das alles relatv, denn auch Aquaponic Anlagen und Insektenzucht sind irgendwie Massentierhaltung (Im Falle von Insekten jedoch wahrscheinlich eher artgerecht) und pflanzliche Texturate sind hochverarbeitete Lebensmittel, aber es geht hier wie gesagt ja auch um einen Kompromiss. DIE Lösung wird es hier nie geben können, sofern der Kompromiss diese nicht an sich schon darstellt.

Das Beste daran ist jedoch, dass der Ersatz oder auch das Imitieren gewisser Lebensmittel wie oben erwähnt eben in der Tat gerade keinen Verzicht darstellt, sondern tatsächlich eine Erweiterung, da wir durch diese Innovationen nun die Wahl haben. Aber auch hier gilt, dass selbstgemacht immer besser ist und ich werde Euch zeigen wie es geht ...



... also lasst uns kochen! :-)